Was bedeutet eigentlich Achtsamkeit?

 «Explore mindfulness through music», erkunde Achtsamkeit durch Musik. Dies ist einer der Leitsätze auf der Website von Music for People, der mir sehr gut gefällt, weil er genau den Kern unseres Anliegens beschreibt. In den Session Notes eines Workshops, den Mary Knysh und Irene Feher anlässlich der Drum Circle Facilitator Guild Conference 2018 in Myrtle Beach, SC, USA, geleitet haben, ist sehr schön umschrieben, was mit Achtsamkeit gemeint ist.

Achtsamkeit ist eine spezielle Art von Aufmerksamkeit, die durch eine Haltung von Offenheit, Neugierde und Aufnahmebereitschaft (acceptance) charakterisiert ist. Wir nehmen unsere Gedanken, Gefühle und körperlichen Empfindungen wahr, die wir im jetzigen Moment haben. Achtsamkeit legt ausser-ordentliche Aufmerksamkeit auf ordentliche, das heisst gewöhnliche Erfahrungen. Spontanes, authentisches Musizieren kann als aktiver Zustand von Achtsamkeit betrachtet werden, da wir uns in eine Geisteshaltung von totaler Fokussierung und Präsenz versetzen. Achtsamkeit ist die Chance, aus negativen Denkmustern und Geisteshaltungen auszubrechen, den Reset-Knopf zu drücken und einen Neustart zu wagen: Release – Lass los!

 

Beginnen wir also in einer Haltung von Offenheit, Neugierde und Aufnahmebereitschaft. Das bedeutet auch, zu unserem inneren Kind zurück zu finden. Als Erwachsene haben wir in unserem Leben «gelernt», in vielen Situationen unser inneres Kind zurückzubinden und in gewisser Hinsicht auf «Sparflamme» zu leben. Das eigene Musizieren ist eine wunderbare Chance, diese Achtsamkeit wieder aufzuwecken.

 

Wie soll denn das funktionieren? Im Buch «Grundlagen der Improvisation» von Music for People Europe sind wunderbare Übungen beschrieben, die uns zu mehr Achtsamkeit führen können. Der Einklang (One Quality Sound) beispielsweise unterstützt die Offenheit für den eigenen, authentischen Klang. Dabei gibt es nichts zu leisten, nichts zu verlieren und nichts falsch zu machen. Du darfst sein wie du bist, klingen wie du klingst. Diese Offenheit lässt dich den Zusammenklang mit den Anderen erfahren als etwas, was deinen eigenen Klang bereichert und zu etwas Grösserem als die Summe aller Klänge verschmilzt.

 

Neugierde kann aus der Stille entstehen (Stille ist deine Freundin). Wenn es dir gelingt, dich in eine Haltung des Staunens und Sich-wunderns hinein zu öffnen, wird die Stille plötzlich lebendig und überrascht dich immer wieder aufs Neue.

Aufnahmebereitschaft oder Akzeptanz bedeutet: Es gibt keine falschen Töne! Alle Töne im Universum leben miteinander, in Spannung oder in Harmonie. Dies zu akzeptieren und sich dem Gesamtklang hinzugeben, gelingt vielleicht beim oben beschriebenen Einklang am besten. Akzeptanz hilft dir auch bei anspruchsvolleren Übungen wie beispielsweise «Sing was du spielst, spiel was du singst» spielerisch umzugehen, dich an den kleinen Fortschritten zu freuen und dich nicht im Anspruch zu verlieren, die Übung möglichst perfekt auszuführen.

 

Mein grösster Wunsch ist, dass solche Achtsamkeit in der Impro­visation und im täglichen Zusammenleben wirksam werden kann.

 

André Renold

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